Liebe Jana,
danke fürs Thema verfehlen im letzten Letter, ich hoffe, du hattest ein paar gesegnete RUHEtage, trotz des Lautlaufer-Nachbarns. Du musst mal noch teilen, was bei der Umfrage rausgekommen ist – aber ich wäre für die Hausschuhe?
Du hast mir beim letzten Mal die Frage zurückgestellt, ob mir das Internet noch Spaß macht. Ich würde sagen: Nein. Das Internet (und damit meine ich hauptsächlich Social Media) macht mir viele Gefühle, aber Spaß ist eins, das ich schon sehr lange nicht mehr gefühlt habe.
Es gab mal eine Zeit (ja, ich fühle mich alt, wenn ich Sätze so beginne, aber es ist wirklich lange her), als das Internet ein ORT war. Einer, der von den Erwachsenen belächelt wurde und der nicht unbedingt viel mit der Realität zu tun hatte. Der sich in der Computerecke unter der Treppe befand und den man verlassen musste, wenn es Abendessen gab oder jemand anderes mal hin wollte. Es war ein Ort, an dem man ausprobieren konnte, wer man sein will. Und einer, der uns gehörte. Zumindest gefühlt.
Natürlich konnte die Welt mitlesen, als ich meinen Freundinnen glitzernde I l0OvE yOouU Schriftzüge an die Kwick-Pinnwand gepinnt habe. Jeder konnte die 53 verschwommenen Party-Fotos auf Facebook sehen und den „Du hast mich betrogen du Arschloch”-Post. Wir haben uns der Welt präsentiert, aber am Ende war es alles für uns. Für meine Freundinnen und mich und die anderen, die wir kannten.
Heute lebt das Internet in meiner Hosentasche. Es gibt keine Trennung mehr zwischen der „echten” Welt und der Welt online. Wir können alles mit allen immer teilen. Die Idee, die andere von uns und unserem Leben haben, beeinflussen. Es gibt kein brb mehr im ICQ Chat, keine automatische Pause mehr von allem.
Früher war natürlich auch nicht alles besser. Jede, die bei Chat-Roulette einen Penis gesehen hat, weiß, wovon ich spreche. Was wir posten, hat heute Konsequenzen. Und das sollte es auch, ich bin absolut nicht dafür, das Internet zu einem rechtsfreien Raum zu machen.
Aber es ist alles verkopfter geworden. Meine Chefs schauen meine Insta-Stories. Und in der Medienbranche ist auf einmal alles ein Portfolio. Eine Möglichkeit, der Welt die eigene Kompetenz zu beweisen. Eine Erweiterung der Berufswelt. Und: nicht unbedingt fun.
Auch wenn das jetzt so klingt: Ich finde Social Media nicht komplett kacke. Ich bin ja auch immer noch da. Social Media ist oft der einzige Raum für viele Themen, die sehr wichtig sind. Ich bin froh, politische Inhalte, die ich woanders nicht bekomme zu lesen, aktivistische Posts, Buchempfehlungen und Informationen zur Krebsvorsorge. Von Menschen zu erfahren, die ihre persönlichen Erfahrungen teilen und anderen damit das Gefühl geben, nicht alleine zu sein.
Aber wie oft lege ich mein Handy weg und denke mir: „Mensch, das war aber eine gute Zeit. Ich fühle mich ausgeruht und gut unterhalten!?” Selten bis nie. Das bedeutet nicht, dass es keinen witzigen Content mehr gibt. Ich bekomme ihn nur nicht angezeigt. Und seit der Follow Feed quasi überall mit dem For You Feed ersetzt wurde, kann ich das auch nicht mehr direkt beeinflussen. Man könnte argumentieren, dass ich meinen Algorithmus doch besser „trainieren” sollte (lol), wenn mir nur Quatsch angezeigt wird. Aber diese Art und Weise, mich mit Content zu füttern, den ich mir nicht selbst ausgesucht habe, nimmt mir das letzte Stück eingebildete Selbstbestimmung. Und führt auch dazu, dass Skinny-Tok in den letzten Monaten auch den letzen Spaßcontent in meinen Feeds ersetzt hat. Nicht unbedingt fun.
Schade eigentlich, aber am Ende aber auch irgendwie egal, weil alle Social Media Apps irgendwie dasselbe sind. Und das liegt nicht nur daran, dass alle Features voneinander abschauen und wir Snapchat-Stories auf Instagram und TikTok-Videos auf Instagram anschauen. Sondern, vor allem an einer Sache, die meiner Meinung nach den Spaßfaktor des Internets erst gesteigert und dann langsam gekillt hat: Trends. Alle machen dasselbe. Zwei Wochen lang posten alle ihre AI-generierte Actionfigur, dann haben alle witzige Erzählstimmen im Hintergrund, dann bekomme ich eine Liste der Dinge „für die ich mich nicht mehr schäme” oder „Propaganda, auf die ich nicht mehr reinfalle”. Würde mir meine Schwester ihr Actionfigur-Starterset schicken, fände ich das süß und natürlich interessiere ich mich für die Gedanken meiner Freundinnen. Aber ob irgendeine random Influencerin denkt, dass Matcha nach Gras schmeckt und sie sich „dafür nicht mehr schämt”? Und was für witzige Kommentare Gerolsteiner Sprudel und Lufthansa darunter posten? Nicht soo fun.
Social Media ist nicht mehr für mich und meine Freundinnen. Social Media ist für diejenigen, die das professionell machen. Die richtig Zeit investieren, die Konsumenten (uns) auf der Plattform zu halten. Social Media ist da, um mir etwas zu verkaufen. Und das führt bei mir auch dazu, dass ich selber immer passiver werde. Früher war das Internet eine kreative Ausprobier-Zone, aber heute lasse ich mich meistens nur noch berieseln. Selbst mal was zu kommentieren ist mir zu anstrengend geworden. Ich konsumiere das Leben fremder Menschen und fühle mich danach meistens irgendwie eklig.
Ich habe einen Social Media Ick und der wird mit jeder Schlagzeile der Techbros, denen die Plattformen gehören, schlimmer. Es ist unausweichlich, dass ich mit meiner Zeit und meinen Daten und meinem Gesicht reiche Arschlöcher noch reicher mache. Die kontrollieren, welcher Content wie oft angezeigt wird und damit viel zu viel Macht über unsere Aufmerksamkeit und unsere Meinungsbildung haben. Und die mit unserem Content jetzt auch noch for free ihre KI trainieren. Gar nicht fun.
Natürlich ist „das Internet” nicht nur Social Media und ich liebe Substack, Pinterest und YouTube (auch wenn es da natürlich viel Quatsch gibt), FaceTime Calls und die Möglichkeit von Babyfotos und Sprachnachrichten. Aber Medien sind eigentlich Tools, die wir nutzen sollten, weil wir kommunizieren wollen und ich werde das Gefühl nicht los, dass meine Social Media Plattformen mich benutzen. Und ich bin da, weil ich irgendwie präsent sein muss. Weil sonst niemand meine Arbeit sieht. Weil ich up to date sein muss, weil ich sonst nicht weiß was los ist und weil ich MUSS MUSS MUSS.
Nicht auf Social Media zu sein ist währenddessen schon fast ein Statussymbol. Es bedeutet: Ich werde schon genug gesehen. Die Themen, die mir wichtig sind, finden schon oft genug statt. Oder auch einfach: Ich muss mich nicht von meinem eigenen Leben ablenken. Luxus eben.
Was ich dich fragen wollte (wegen fun und so): Was fandest du zum letzten Mal richtig witzig?
Hoffe, du hast einen schönen Pfingstmontag.
HuGgs & KizZzes
Deine Theresa
Nein, macht es nicht. Internet macht mir keinen Spaß mehr.
Mit so ziemlich allem, was du aufgezählt hast, bin ich aufgewachsen.
SoMe ist für mich inzwischen jedoch derart unsinnig geworden, gleichgeschaltet (klingt komisch), und platt - ich hab viel Energie darin gelassen, dem standzuhalten. Ich verstehe also, was du meinst.